Sonntag, 3. Juli 2016

Eingekapselt

Manchmal dauern zweieinhalb Wochen eeewig und manchmal (leider gerade dann, wenn es schöne zweieinhalb Wochen sind) sind sie ganz schön schnell vorbei. Meine zweieinhalb Wochen in Japan waren ziemlich schön, ich habe viele Dinge gesehen und gemacht, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass es sie gab. Ich habe ein interessantes Land voller Gegensätze: mit Bergen und Meer, Tradition und Moderne, Land- und Stadtleben erlebt, dessen Menschen mir, mit ihrer unaufdringlichen, gewissenhaften und sehr sorgfältigen Art mir sehr ans Herz gewachsen sind. Kurz: ich habe die letzten zweieinhalb Wochen echt genossen und deshalb stand der letzte Tag meines Japanurlaubs dann doch auch recht schnell vor der Tür.

Was macht man, als gute Tochter/Enkelin/Cousine/Nichte/Schwester/Freundin, wenn man in den Urlaub fährt? Richtig, man schreibt Postkarten. :o) Ganz brav...am letzten Tag morgens beim Frühstück ;o) Und weil man dann auch noch gehört hat, dass der Tokioter Zoo, der praktischerweise in dem Distrikt liegt, in dem man wohnt, einen Briefkasten in Form eines Pandakopfes aufgestellt hat (und zwar überraschenderweise direkt am Eingang :o), dessen Inhalt (Postkarten, Briefe und andere Sendungen) einen ganz speziellen Poststempel verpasst bekommt, sucht man natürlich genau diesen Briefkasten, um die Karten dort einzuwerfen. Und was soll ich sagen, ich hab' ihn gefunden :o)




Um den Japanurlaub perfekt zu machen (ich hatte mir ja vorgenommen, hier alles zu tun, was an so an "Landesspezialitäten" bezeichnen kann: Shinkansen fahren, auf Tatamimatten und in einem Ryokan übernachten, ganz viel japanisches Essen essen, Geishas angucken, Tempel bestaunen, den Fujiyama besteigen, Kobe-Rind essen und in einem Kapselhotel übernachten), hatte ich mich für die letzte Übernachtung also in einem dieser seltsamen Etablissements eingemietet, die es vermutlich nur in Japan gibt, und die vor allem für (männliche) (Geschäfts-)Leute erfunden wurden, die (aus irgendwelchen Gründen) den letzten Zug verpasst oder eben einfach nicht mehr nach hause gekommen sind und deshalb eine Übernachtungsmöglichkeit zum vernünftigen Preis brauchen: im 9h Kapselhotel am Flughafen Narita in Tokio. Vielleicht muss ich an dieser Stelle noch einräumen, dass ich den Fujiyama nicht besteigen konnte, weil das erst ab dem 01.07. geht und die ersten Touren dann schon restlos ausgebucht sind und ich leider auch kein Kobe-Rind mehr am Flughafen gefunden habe - mindestens zwei Gründe, wiederzukommen :o)

Das Abenteuer begann damit, dass man mir in der Bestätigungsmail zu meiner Reservierung quasi damit drohte, dass man, wenn ich nicht pünktlich zur dezidiert in der Mail ausgewiesenen Check-In-Zeit anwesend wäre, meine Kapsel sofort anderweitig vermieten würde. Furchtbar eingeschüchtert (glauben Sie's oder glauben Sie's nicht), begab ich mich also tatsächlich an meinem letzten Urlaubstag, den ich bombastisch noch in Tokio verbringen hätte können um 14.00 Uhr in die Bahn, um um 15.00 Uhr pünktlichst im Kapselhotel auf der Matte zu stehen (unter der Brücke schlafen wollte ich jetzt auch nicht, selbst, wenn das temperaturtechnisch locker drin gewesen wäre). Verbringe ich meinen letzten Tag halt locker flockig auf dem Flughafen - hat auch was, oder nicht?

Am Empfang händigt man mir erst einmal eine Tasche mit allen, für den Aufenthalt nötigen Utensilien aus: Schlappen :oD, ein Nachthemd (?), eine Zahnbürste (Aha!), zwei Handtücher - eins groß, eins klein), außerdem dem Schlüssel zu meinem Spind. Nachdem ich bezahlt habe (in Japan gilt in Unterkünftigen häufig "Vorlasse"), darf ich durch die rechte Tür den Spindraum betreten. Dort räume ich meinen Kram in den Schrank, und verstaue dort auch meine Schuhe - weiter geht's ab jetzt ja in Schlappen. :o) Im nächsten Raum gibt es die Waschbecken und die Toiletten für die Ladies (den gleichen Aufbau gibt es auf der linken Seite von der Rezeption auch nochmals für die Herren). Dann betrete ich den Schlafraum, vor dem mich die Aufschrift auf der Tür noch darauf hinweist, drinnen doch bitte leise zu sein. Ich verstumme. Was ich sehe könnte auch aus einem Stanley Kubrick Film stammen.









Eine Amerikanerin drückte es im Vorfeld ebenfalls ganz passend aus: "It looks like an Incubator." Hm, kommt hin. Diese 58 Kapseln sollen also Betten für maximal 58 Damen sein, die - aus Abenteuerlust oder irgendwelchen anderen Gründen - eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen. *Schluck* 

Gut, es gibt dann noch ganz ordentliche Duschen, aber das ist je jetzt schon fast Nebensache...


Erfreulich, dass mir auf dem Rückweg im Spielraum Mika begegnet, eine Japanerin, die in Australien lebt, und in den vergangenen vier Wochen ihre Verwandten und Freunde in Japan besucht hat. Sie findet das Kapselhotel auch total verrückt und wollte ebenfalls mal hier übernachten (obwohl ihre Flug eigentlich erst am kommenden Abend um 9.00 Uhr zurück geht). Wir beschließen, dass das alles hier zwar irgendwie cool, aber auch echt mit ziemlich wenig Tageslicht ausgestattet ist und verziehen uns auf die Shop- und Restaurantebene des Flughafens, um dort unsere letzten Yen in Essbares zu investieren. Nach einem langen Abend mit Takonomiyaki (Teigbällchen mit Oktopus, die sich verdammt schlecht essen lassen, weil sie auch so unglaublich heiß sind), Sushi, einem Eiskaffe, aus dem seveneleven-Automaten (ich glaube, ohne seveneleven-Läden würden die Japaner elend zugrunde gehen...) und seltsamen japanischen Süßigkeiten mit rote-Bohnen-Muß auf Stäbchen (die nicht so mein Freund geworden sind), beschließen wir dann aber doch, nochmal zu duschen (man ist ja schließlich hygienisch ;o) und uns dann dem Inkubator zu stellen und herauszufinden, wie es ist, in einem solchen zu übernachten. 

Naja, wenn man schläft, auch nicht schlimmer als in einem anderen Bett ;o)






Am nächsten Morgen gibt's Frühstück (mit einem Coupon) im Café de Crié (meine Französischkenntnisse würden sagen: das heißt "Café des Schreis" - aber das macht doch keiner, oder?) - wie üblich eine japanische Portion (also eher wenig). Mein Flieger zurück geht dann um 10.30 Uhr. Mika verabschiedet sich zum Outlet-Shoppen :o)

Um 23.11 Uhr deutscher Zeit (nachdem mein ICE 20 Minuten Verspätung hatte; ich habe bei der Gelegenheit mal recherchiert: alle Shinkansen, die in Japan an einem Tag fahren, haben zusammen rund 5 Min Verspätung, einer im Schnitt 6 Sekunden - muss ich dazu noch etwas sagen?) lande ich am Bahnhof des Heimatstädtchen, als der Fußballkrimi Deutschland:Italien bei der Europameisterschaft noch in vollem Gange ist. Da mann das Team selbstverständlich psychisch stützen und mitfiebern muss, schauen wir die Verlängerung des Spiels und das (unfassbar lange) Elfmeterschießen noch, bevor ich (nach mehr als 24h wach) endlich ins Bett falle.

Aber, was soll ich sagen, ich habe dem Jetlag getrotzt (die menschliche Uhr ist eben doch auf hell und dunkel programmiert): heute bin ich einfach morgens zum Frühstück wieder aufgestanden. Bääähm! :o) 

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